Von Vögeln und Menschen

Der Frühling ist eine gute Jahreszeit, um sich mit Vögeln zu beschäftigen. Doch schon Romeo und Julia hatten da ihre Schwierigkeiten. Es war, wir wissen es alle, die Nachtigall und nicht die Lerche (wobei ich mich frage, wie sie einen Singvogel mit einem Nadelbaum verwechseln konnten). “Pst!”, zischt mein Mann. “Hörst du das? Didel hu, didel hu, bubel bubel bubel? Das ist die gelbschnäbelige Klappergrasmücke!”
“Meinst du das: Hudel bö? Hudel bö?”, frage ich.
“Nein, das wäre die grauköpfige katholische Bachstelze!” Er reisst das Fernglas hoch. “Na so was! Doch keine gelbschnäbelige Klappergrasmücke! Eine schnabelklappernde Gelbmückengräse! Zu erkennen am roten Brustfleck und der schwarzen Augenbinde!”
“Oh”, sage ich bedauernd. “Ist das arme Tier blind?”
“Du verwechselst das”, erklärt mein Mann, “mit dem mitteleuropäischen Gartenblindhänfling. Der singt: Midel-midel-midel schlüüüü but but buttbutt!”
“Dort!”, flüstere und zeige ins grüne Geäst. “Wem gehört der Gesang?”
“Redest du von dem: Schipel Schipel höö? Oder Bakka bakka fliii?”
“Ich meinte eigentlich mehr so dieses Pfisel Pfisel – knieptsch – Pfisel Pfisel …”
“Nicht rühren!” Mein Mann drückt mich in ein Brennnesselgebüsch. “Da sitzt ein frankophoner Eichenbordeaux, die sind hier ganz selten! Der rostrote mit dem grünen Schwanzdreieck!”
Ich sehe nur etwas unscheinbares, braun-graues.
“Hör mal”, flüstert mein Mann. “Jetzt: Sibiiiii! Sibiiiii! Mizzi Mizzi Mizzi Tillerilililipitti! Er singt im Konjunktiv.”
“Aha”, sage ich. “Sibylle! Sibylle! Rizzi Pizzzi Schillerililili …”
“Neinein”, verbessert mein Mann. “Sibiii! Mizzi Mizzi …”
“Ski! Ski!”, flöte ich. “Flizzi Flizzi Ballerilili …”
“Tillerilili”, korrigiert mein Mann.
“Hatschi”, sage ich.
“Wie?”, fragt er.
“Die Allergie!”, erkläre ich, nach Luft ringend. “Hieschnipfen!”
Damit ich es endlich lerne, habe ich eine Uhr gekauft, die flötet die Stunden, statt sie zu schlagen. An Stelle der Zahlen sind die entsprechenden Vögel abgebildet, samt korrekter Zehennagelfarbe und authentischer Zahnstellung. Mit dubiosem Erfolg: Wenn wir jetzt im Wald beispielsweise eine großfüßige Eisschnepfe hören, sagt einer von uns sicher: “Was? Schon sieben? Wie die Zeit vergeht!”
Neulich sang auf unserem Dach die avantgardistische Heckenmäkel, die ist so selten, die gibt es noch gar nicht. Man erkennt sie am blauen Lidstrich, und sie ruft ungefähr “Schlibelirk! Muffi-muffi-Schlibelirk!” Ich hege ja den Verdacht, dass all diese Vögel die Jodelschule bei Loriot absolviert haben. Der einzige Balzruf, den ich im Frühjahr hinbekomme, bleibt “Hatschi!” Aber den kann ich im Subjunktiv, im Akkusativ und im Regentief. Und zwar auswendig.