Kleine Klimawandel-Klage

Wir wissen es alle, das Klima wandelt sich, aber dass es so drastische Auswirkungen auf Vorpommern hat, hätte ich nicht gedacht. Es beginnt damit, dass unser Nachbarsmädchen mir eine oberschenkeldicke gelbe Frucht überreicht.
“Hier, eine Zucchini!”, sagt sie stolz. “Für euch, aus unserem Garten!”
“Zucchini?”, frage ich. “In der Größe?” Schrumpfe ich? Kann ich demnächst in meiner Teetasse baden? “Nein, das ist der Klimawandel”, sagt mein Mann. Ich mache vier Aufläufe aus der Zucchini. Als ich sie gerade ins Gefrierfach stopfe, steht der Bruder des Mädchens vor der Tür. “Eier für euch!”, ruft er. “Von unseren Hühnern!”
“Was ist mit euren Hühnern passiert?”, frage ich. “Die Eier sind ja so groß wie Fußbälle!”
“Klimawandel!”, ruft mein Mann aus dem Arbeitszimmer. Die nächsten Tage verbringe ich damit, Eierkuchen auf Vorrat zu backen. Da das Gefrierfach voll ist, heften wir sie im Aktenordner für die Steuer ab. Und schon klopft ein weiterer Nachbar ans Fenster. “Ich bringe Gurken!”, ruft er fröhlich. Mein Mann und er tragen die Gurken in den Flur und lehnen sie dort an die Wand. Sie sind so groß wie Grundschüler. Resigniert beginne ich, die Gurken in der Regentonne einzulegen. Dabei fällt mir auf, dass unser Feigenbaum beunruhigende Ausmaße annimmt. Seine Feigen werden so groß sein wie Kochtöpfe. Na wartet: Die verschenke ich gnadenlos an die Nachbarschaft. Es ist auch verdammt heiß geworden. Die Ostsee hat Mittelmeertemperatur. “Immerhin gut für den Tourismus!”, sagt mein Mann. Wir stehen seit zwei Stunden im Stau zwischen süddeutschen Kennzeichen – auf dem Weg zu Freunden, die einen Gemüsegarten besitzen und zum Salatessen geladen haben. “Wieso habt ihr denn alles mit grünen Handtüchern dekoriert?”, frage ich, als wir ankommen. “Das sind die Salatblätter”, sagen unsere Freunde. Sie haben auch eigene Bohnen eingefroren, aber ihr Gefrierfach hat den Geist aufgegeben. Ob wir ein paar Bohnen nehmen könnten? Nicht auszudenken, was das wieder für Auswirkungen aufs Klima hat, wenn die Bohnen abschmelzen! Wir verlassen unsere Freunde etwas eilig und legen uns zu Hause unters Moskitonetz schlafen. Seit das Klima sich wandelt, gibt es vor Usedom ein Sumpfgebiet mit erhöhter Malariagefahr …
Am nächsten Tag gucke ich aus dem Fenster und sehe: lila. Minuten nichts als lila. Dann kommt die Rückseite eines Transporters vorbei. Er hat eine zwanzig Meter lange und zwei Meter hohe Aubergine geladen. Ein Papagei fliegt vorbei. Im Garten brüllt ein Rudel streunender Löwen.
“Das haben wir gleich”, knurrt mein Mann und greift sich eine Karotte in Keulengröße.
“Liebling”, flöte ich, “wo du schon gehst – ich habe das Gefühl, einige Blog-Leser stehen heute Abend vor der Tür, um sich unseren Klimawandel anzusehen. Könntest du wohl ein kleines Nashorn erlegen, damit alle satt werden? Ich säge schon mal Basilikum …”