Die Villa war marode. Sagten die Leute.
Das bedeutete: Kaputt. Hinüber. Einsturzgefährdet.
Sie stand zwischen anderen, weniger kaputten und bunt angestrichenen Häusern – hellblau, gelb, lila, aber die Villa selbst hatte keine Farbe. Und aus den Ritzen wuchsen Bäume, kleine und große: auf dem Dach, den Balkons, aus den Fenstern. Schlingpflanzen umrankten die alten Mauern, Gras bedeckte die Eingangsstufen, kleine lila Blüten regneten durch die Fenster.
Pedro liebte die Villa.
Sie war sein Zuhause.
Bei gutem Wetter schlief er oben auf dem Dach, auf einem kleinen Türmchen. Bei Regen kletterte er durch ein Loch in den Raum darunter. Von dort aus sah man die ganze Stadt, die bunte, laute, chaotische Stadt – und dahinter den Urwald, in der Ferne, grün, unendlich.
Es war der Urwald, der die Villa zurückerobert hatte. Es geschah überall dort, wo etwas von den Menschen verlassen wurde: Die Pflanzen, die vor Jahrtausenden hier gestanden hatten, kamen einfach zurück. Das gefiel Pablo.
Die Villa war wie ein Stück von dem Grün da draußen, ein Stück Wildheit.

 

Pablo war noch nie dort gewesen.
Im wahren Urwald.
„Eines Tages“, sagte er zu sich selbst, „eines Tages lerne ich ihn kennen. Irgendwo da draußen wartet das Abenteuer.“
Es war ein Dienstag, an dem er das sagte, und er saß auf dem Turm und ließ die Beine baumeln.
Dann nahm er die Spiegelscherbe in die Hand, die neben ihm lag und wischte sie an seinem schmutzigen T-Shirt ab.: Ein Junge von etwa zehn Jahren blickte ihn an, mit wachen, dunklen Augen und zimtfarbener Haut, auf der Nase eine lange Schramme, das Gesicht im Allgemeinen nicht unbedingt sauber. Auf dem drahtigen schwarzen Haar saß schräg eine alte schwarze Schiebermütze, und unten sah man gerade noch den ausgefransten Ausschnitt des gelbgrünen Fußball-T-Shirts, das bessere Tage gesehen hatte.
Alles in allem, fand Pablo, sah er aus wie ein echter Abenteurer.
„Blöd“, sagte er zu seinem Spiegelbild, „dass ich nie ein Abenteuer erlebe. Ich meine, so abenteuerlich ist es nicht, auf der Straße Leute anzubetteln oder ihnen für Geld Einkäufe nach Hause zu tragen. Es wäre besser, ein reicher Adeliger zu sein. Auf einem Pferd mit Silbersporen. Oder auf einem Dreimaster,