Die Sonne explodierte an jenem Morgen nahe den Gipfeln in einem Feuerwerk von Farben, und jeder winzige Kristall im Schnee spiegelte den Himmel wieder. An diesem Morgen sahen sie hoch oben vor dem Licht die Schatten von Vögeln.
„Nein“, sagte Christopher, „es sind keine Vögel. Es sind Drachen.“
Und Jumar sah, dass er recht hatte. Die Bewegungen der Wesen dort oben unter der Sonne waren zu geschmeidig für Vögel, zu schön, zu anmutig. Zu gefährlich.
„Man sagt, sie wohnen hier in den Gipfeln“, flüsterte Niya. „Aber ich ziehe es vor, das nicht zu glauben.“
Die langhalsigen Schatten verschwanden aus ihrem Blickfeld, und sie atmeten auf.
Bald darauf wurde der Weg noch schmaler als bisher. Er führte sie nun direkt an einer Felswand entlang – zur Rechten erhob sich der Felsen, zur Linken fiel der Berg steil ab, und Jumar vermied es, in die Tiefe zu blicken. Früher, als er klein gewesen war, war er manchmal auf das Dach des Palastes geklettert und hatte von dort aus auf die Stadt hinabgesehen – und er hatte sich als ihr Herrscher gefühlt, so hoch oben über ihren Dächern.Wie sehr sich seine Welt seit damals verändert hatte!

Er merkte, dass Niya und Christopher stehen geblieben waren.
„Was ist los?“, fragte er. „Warum geht ihr nicht weiter?“
Niya drehte sich zu ihm um. „Es gibt nichts mehr, worauf man gehen könnte“, sagte sie. „Der Pfad bricht ab. Er bricht einfach ab.“
„Du hattest recht“, sagte Christopher. „Man kann den Fishtail-Berg nicht besteigen.“
Jumar erinnerte sich, dass sie auch geglaubt hatten, man könnte das Dach des Palastes nicht besteigen. Aber er hatte einen geheimen Weg gefunden, einen Weg über steinerne Verzierungen an einer Seite der Mauer – und über eine Regenrinne. Er hatte nie jemandem davon erzählt. Nur die Tauben hatten gewusst, dass er manchmal auf dem Dach saß, denn er hatte sie gefüttert, dort oben. „Es muss einen Weg geben“, sagte Jumar. „Jemand hat diesen Pfad angelegt, und niemand legt einen Pfad an, der im Nichts endet.“
Er drängte sich an Christopher und Niya vorbei und kniff die Augen zusammen, um dem Felsen sein Geheimnis zu entlocken. Und dann sah er es: ein Geheimnis in den Schatten der Vorsprünge. Er lächelte.