Manege frei!

Jetzt möchte ich von der Kutsche erzählen, die uns ins Weiße Haus Waisenhaus brachte. Sie war sehr unbequem. Bei jedem Schlagloch hopsten wir auf und ab, mein kleiner Bruder Gottlieb Friedhelm Dietrich und ich. Dietrich war auf meinem Arm, er ist nämlich noch ein Baby. Aber ich bin jetzt sicher am Po grün und blau von dem Gehopse.
Die Kutsche brachte uns auf die Insel.
Und von dort gibt es kein Entkommen. Bestimmt sind die Buchenstocks, denen das Waisenhaus gehört, sehr streng und hauen uns. Papa Der Kutscher hat gesagt, sie hätten Pferde und einen Garten, und das habe ich dem kleinen Frie Dietrich auf der Auto Kutschfahrt
erzählt. Aber ich kann mir schon vorstellen, wie Frau und Herr Buchenstock auf ihren Pferden durch den Garten reiten, während wir arbeiten müssen. Vielleicht kann ich wenigstens im Garten Äpfel
für Dietrich pflücken. Ich überlege, ob es möglich wäre, mit dem Schiff zu fliehen, das Meer fängt ja gleich hinter dem Garten an, hat Mama eine andere Kutschreisende gesagt …

»Ella? Wir sind gleich da. Du musst jetzt deinen Roman weglegen.«
»Sofort«, sagte Ella. »Essen Babys Äpfel?«
»Als Mus«, meinte Mama. »Schreibst du ein Kochbuch für Babys?«
Ella verdrehte die Augen. »Natürlich nicht. Babys können doch gar nicht lesen, was sollen sie mit Kochbüchern?«
Sie steckte den grünen Tischlerbleistift, mit dem sie stets schrieb, hinters Ohr und schlug das Heft zu. Auf dem Umschlag stand ELENA FUCHSBAUM und darunter TAGEBUCH EINES ARMEN WAISENKINDES.
Vor dem Autofenster erstreckte sich eine endlose Allee. Als Ella das Fenster herunterkurbelte, roch sie das Grün in den Schatten. Die Blätter der alten Bäume verwoben sich über der Straße
zu einem dichten Dach und wisperten im Sommerwind.
Komm, wisperten sie. Das Abenteuer wartet. Hier finden alle armen Waisenkinder ihr Glück …
Ella wäre zu gerne ein armes Waisenkind gewesen. Sie las ständig Bücher über arme Waisenkinder, die zu Helden wurden und die Welt retteten, wahlweise mit oder ohne Drachen. Leider hatten ihre Eltern auch noch Geld; nicht endlos viel, aber reichlich.