Als Mama wiederkommt, ist es schon spät.
Sie schleicht in mein Zimmer und setzt sich auf meine Bettkante. Sie denkt, ich schlafe schon.
„Mama?“, frage ich. „Bist du krank?“
Da seufzt Mama tief. „Ja“, sagt sie. „Nein. Doch. Ich bin verliebt.“
„Verliebt?“, frage ich. „Was ist verliebt?“
„Verliebt ist“, sagt Mama, „wenn man alles vergisst und verleg und verwechselt, weil man Rennautos im Bauch hat, die wild hin und her fahren.“
„Kenn ich“, sage ich. „Dann kriegt man später Durchfall und muss Haferbrei essen. Soll ich dir Haferbrei machen?“
„Nein“, sagt Mama und seufzt noch einmal. „Verliebt ist nicht mit Durchfall. Es ist, wenn einem gleichzeitig heiß und kalt ist.“
„Ach so“, sage ich. „Fieber. Soll ich den Fiebersaft holen?“

Da seufzt Mama ein drittes Mal. „Nein“, sagt sie. „Verliebt ist auch nicht mit Fieber. Es ist, wenn man immer an einen Menschen denken muss. Den tollsten Menschen der Welt.“
„Du denkst an mich!“, rufe ich und umarme sie.
Sie riecht nach Rasierseife. Das kenne ich von Opa. Muss Mama sich neuerdings rasieren? Hat sie vom Verliebtsein einen Bart bekommen?
„Natürlich denke ich an dich“, sagt Mama. „Aber da ist noch jemand anderer.“
Ich lasse Mama los. Der tollste Mensch der Welt ist jemand anderer? Nicht ich?
WAS SOLL DAS BEDEUTEN????
„Er heißt Tom“, sagt Mama und jetzt seufzt sie zum vierten Mal. Langsam geht mir das Geseufze auf die Nerven. „Du wirst ihn sicher mögen.“
Das glaube ich nicht.
„Er kommt morgen zum Abendessen“, sagt Mama.
Da drehe ich mich zur Wand und kneife die Augen ganz fest zu.
„Julius, Liebling“, flüstert Mama. „Bitte ...“
„Ich schlafe schon“, sage ich zur Wand.