Inhalt

Die achtzehnjährige Svenja findet in einer Abseite ihrer neuen Tübinger Studentenwohnung einen verwahrlosten, stummen 11-jährigen Jungen und nimmt ihn bei sich auf.
Nach seinem T-Shirt-Aufdruck nennt sie ihn Nashville.
Als eine Serie von Morden an Obdachlosen die Stadt in Aufruhr versetzt, wird Svenja unruhig. Hat Nashville, der immer wieder heimlich verschwindet, etwas damit zu tun? Bald schon merkt sie, dass nicht nur Nashvilles, sondern auch ihr Leben bedroht ist. Eine Geschichte von Liebe, Sehnsucht, Ängsten und Freunden, denen man nicht trauen kann ... und vom Leben zwischen den Zeilen der Wirklichkeit, das wir meistens nicht bemerken.

Svenja schüttelte den Kopf. »Nein«, flüsterte sie. »Ich habe nicht gesagt, dass du hierbleiben kannst. Hörst du? Du. Kannst. Nicht. Hier. Bleiben.«
Aber das Kind schien bereits zu schlafen, sein magerer Brustkorb hob und senkte sich rhythmisch, es war innerhalb von Sekunden eingeschlafen. Oder es tat so. Svenja setzte sich auf die Bettkante und strich vorsichtig das strähnige braune Haar beiseite.
Die Wange darunter war bedeckt von einer feinen Dreckschicht, und darin war etwas wie Linien, Spuren von … Tränen? In den Haaren des Kindes hingen kleine Stücke von Ästen und Blättern. Seitlich am Kinn war es mit etwas Dunkelrotem beschmiert, das nicht von den Nudeln kam. Blut. Aber es gab keine Wunde dort. Es war, wenn es Blut war, das Blut von jemand anderem.
Sie breitete die Flickendecke über das Kind und dachte an ihre Großmutter, die die Decke gemacht hatte, als sie selbst vielleicht neun Jahre alt gewesen war. Ihre Großmutter hatte immer gewusst, was zu tun war – was man auf aufgeschlagene Knie pinseln musste, wann es Zeit für Witze und wann es Zeit für Tränen war.