„Hast du eine Schaufel in deinem Seesack?“, flüsterte Achim.
„Das gerade nicht“, wisperte Karl. „Aber den hier.“ Er hielt einen Löffel ins Taschenlampenlicht. „Den hatte ich auf der Zugfahrt mit.“
So gruben sie abwechselnd mit einem Teelöffel ein Loch in den Kies, mitten auf dem Voplatz eines verfallenen Herrenhauses, mitten im wilden Garten, mitten in der wispernden, raunenden, lauernden Nacht. Schließlich legte Achim die Hagebutte behutsam hinein. Ihre weißen Sprenkel glitzerten im Taschenlampenlicht wie Marias Tränen.
„Jetzt müssen wir uns etwas wünschen“, wisperte Karl. „Für Maria.“
„Wenn wir bloß wüssten, was sie sich wünschen wollte!“, flüsterte Achim. „Es war etwas Gefährliches. Wenn ich wünsche, hat sie in dem Brief geschrieben, kommen die Wölfe wieder. Und die Furcht. Aber auch die Hoffnung ...“
Er beugte sich über die Hagebutte und sagte: „Du weißt es doch, nicht wahr? Du warst dabei, als sie sich den Wunsch überlegt hat. Wir wünschen uns, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht.“

Und dann nahm er eine Hand voll Erde mit Kies und warf sie auf das Loch. Karl trat die Erde fest. Danach zog er eine Saftflasche aus seinem Seesack und goss die Hagebutte mit etwas Apfelsaft. „Wenn das mal gut geht“, sagte er. „Was ist, wenn die Hagebutte den Wunsch vergessen hat? Ich weiß nicht, wie schlau Hagebutten sind.“
Da mussten sie beide lachen, und es war sehr befreiend, zu lachen. Die Schritte im Unterholz waren verstummt.
„So“, sagte Karl. „Viel Glück, Hagebutte. Hoffentlich wächst eine Rose aus dir. Sie wird natürlich keine Wünsche erfüllen, denn solche Rosen gibt es nur im Märchen. Aber wir haben getan, was wir konnten. Komm, Achim.“
„Warte!“, flüsterte Achim. „Karl! Die … Rose! Guck dir das an! Sie wächst!“
Karl folgte seinem Blick und schnappte nach Luft.
Vor ihnen schob sich eine Pflanze aus dem Kies. Man konnte zusehen, wie ihr Stamm sich verzweigte, wie er höher und höher wurde, bis die Rose größer war als Karl. Er taumelte zurück.