– offener Brief –
Wir werden nicht schweigen.
In einer Zeit, in der Europa zu zerfallen droht und Nationalismus herrscht, werden wir nicht schweigen. In einer Zeit, in der die Demokratie sich selbst abschafft, werden wir nicht schweigen. In einer Zeit, in der wir oft hören, Bücher könne man nur noch verkaufen, wenn sie Eskapismus bieten, wenn sie inhaltsfrei sind, mahnungsfrei, wertefrei, werden wir nicht schweigen. In einer Zeit, in der die Jugend wählen geht und eine Partei wählt, der die Zukunft des Planeten und damit die Zukunft ebendieser Jugend egal ist, werden wir nicht schweigen. In einer Zeit, in der diejenigen unter uns, die keine oder nicht nur deutsche Wurzeln haben, wieder in Angst vor Gewalt leben, werden wir nicht schweigen. Wer, wenn nicht wir, ist da, um die jungen Menschen, die das Morgen gestalten, auf sanfte Art, ohne Polemik, zum Nachdenken, Umdenken, Weiterdenken zu bringen? Wer, wenn nicht wir, kann denen, die das bereits tun, die für die Demokratie und den Planeten kämpfen, besser zur Seite stehen? Werden sie uns wieder verbrennen? Sollen sie. Wen kümmert verbranntes Papier. Wird uns einfach niemand mehr verkaufen? Sollen sie. Wen kümmert ein physisches Buch. Wir sind lange digital, und die neue Welt am rechten Rand kann so lange und so laut schreien, wie sie möchte, wir werden nicht von heute auf morgen wieder in nationalen Höhlen leben, ent-digitalisiert, ent-globalisiert, ent-liberalisiert, und treudeutsche Bären mit dem Speer erlegen oder den Mädchen blonde Zöpfe flechten. Wir sind seit 1933 einen weiten Weg gegangen. Wir sind ein durchmischtes, durchweg globalisiertes multinationales Volk mit vielen Glaubensrichtungen, das man nicht mehr entmischen kann. Wir sind kein Volk. Wir sind Menschen. Wir sind international. Und so werden wir weiterschreiben. Für die Jugend. Und für die Nichtjugend. Für die, die da unten sind, in den Schatten, wo sie vielleicht gar keine Bücher lesen. Wir werden weiter mit ihnen sprechen. Wir werden nicht hier oben bleiben, in unseren intellektuellen Rosengärten, um uns gegenseitig zu versichern, wie traurig es ist, was die da unten wählen. Wir werden weiter hinaus gehen, um auch mit denen zu sprechen, die nie eine Chance hatten und von ihren Eltern hören, dass der neue Nationalismus all ihre Probleme, Arbeitslosigkeit, Schulden, Selbstwertverlust ganz einfach lösen wird. Sich nur gegen sie zu stellen, ihnen ins Gesicht zu sagen, dass sie dumm sind, löst keine Probleme. Sie zu integrieren ja. Gerade über sie und für sie werden wir schreiben. Und für alle jene, die dort in den Schatten leben, anderer Meinung sind und nicht mehr wagen, etwas gegen die Masse zu sagen. Unsere Stimmen werden vielleicht irgendwann aus dem Exil kommen, wir werden nichts mehr verdienen mit unseren Worten, aber wir werden nicht schweigen. Es ist Zeit. Für Bücher mit Inhalt.
Gezeichnet: Paul Maar, Antonia Michaelis, Peer Martin, Andrea Karime, Anke Loose, Stepha Quitterer, Ulrich Karger, Dorit Linke, Tania Witte, Mira Galle, Nele Brönner, Valija Zinck, Anna Maria Praßler, Christian Linker |