„Nein“, sagte Mandy. „Guck doch mal raus. Ist Weihnachten etwa im Sommer?“
Der Pfarrer breitete schlichtend die Arme aus. „Hört auf zu streiten. Lukas hat schon ein bisschen Recht. Da, wo die Weihnachtsgeschichte spielt, war es sozusagen Sommer. Und Mandy hat auch Recht mit dem Stall. Und Aik mit den Königen.“
„Und ich“, sagte Luisa, „weiß nämlich auch was: Nämlich da war noch ein Engel. Das hatten wir in der Schule schon tausendmal. Der Engel … der war groß und stark … er hat ihnen gesagt, dass irgendwie das Jesuskind jetzt da ist oder so, und dabei hat er so sehr Funken gesprüht und geleuchtet, dass die Hirten furchtbar Angst bekamen und dachten, nun ist alles aus. Wenn ich mitspiele, bin ich der Engel.“
„Irgendwie hatte ich das anders in Erinnerung“, meinte der Postkartenmann nachdenklich. „Ich dachte, der Engel hätte gesagt: Fürchtet euch nicht.“
„Na, von mir aus kann ich das ja sagen“, lenkte Luisa ein. „Wenn ihr darauf besteht.“
„Und ich“, erklärte Mandy, „bin Maria.“
Lukas guckte Mandy an. „War die rosa?“
„Sicher“, sagte Mandy. „Das weiß doch jeder."

Da kam eine ganz kleine, aber sehr durchdringende Stimme von unten. „Und ich?“
„Du bist doch erst vier“, sagte Aik zu seiner Schwester. „Du kannst noch nicht beim Krippenspiel mitmachen.“
„Kann ich wohl“, sagte Levke. „Ich bin der Tiger.“
Eine Weile herrschte Schweigen. Dann fragte der Pfarrer: „Der … Tiger?“
„Ja, nämlich“, sagte Levke, „diesen Winter bin ich ein Tiger. Überhaupt immer. Nicht nur hier.“ Sie kratzte mit einer Hand durch die Luft und fauchte.
„Vielleicht sollten wir das Krippenspiel dann im Frühjahr aufführen“, bemerkte Aik, „wenn du kein Tiger mehr bist.“
„Wie wäre es mit einem Esel?“, schlug der Pfarrer vorsichtig vor.
Wütend stampfte Levke mit ihrem kleinen Fuß auf den Kirchenfußboden. „Tiger!“, rief sie. „Tiger, Tiger, Tiger! Und wenn ich kein Tiger sein kann, spiele ich nicht mit! Pah!“ Damit drehte sie sich um und lief aus der Kirche – ein kleiner Tiger in einer riesigen roten Daunenjacke und blauen Gummistiefeln.