Das Dorf Wieck war winzig. Mitten hindurch führte eine Straße, auf deren Pflaster der Regen glänzte. Die Reetdächer hingen tief und dunkel wie Wolken. Winzige Fensteraugen unter herabgezogenen Strohdächern, dahinter Dunkelheit und staubige Dekorationsmöwen. Er suchte das Haus, in dem sie damals gewohnt hatten. Seine Eltern hatten ihm beschrieben, wo es stand, am Ende einer kleinen Seitengasse, und er kannte ja die Bilder: ein Haus mit Rosen im Garten hinter einem weißen Zaun. Ohne Dekorationsstaub.
Aber das Haus stand nicht mehr dort. An seiner Stelle gab es eine Gruppe schmaler, aneinandergedrängter Reihenhäuser: Ferienhäuser mit romantisch blau gestrichenen Balkonen und großen Glasfenstern. Durch die Fenster konnte man identische romantische Einrichtungen sehen. Er ging um die Ferienhäuser herum, um den romantischen Gartenzaun mit den romantischen Zierkugeln in den romantischen Beeten. Dort erhob sich der Deich, grün bewachsen mit nassem Gras wie mit Algen. An dem Pfad, der hinaufführte, wuchs eine Weide, sturmgeknickt, doch noch lebendig. Dass es Dinge gab, die im Liegen weiterwuchsen!
Hatte er dort oben als Kind gespielt? War er den Pfad vom Deich hinabgerannt?

Er hob den Kopf – und da sah er, dass oben auf dem Deich jemand stand. Eine Silhouette, beinahe schwarz vor dem grauen Himmel, eine Figur in einem dicken Wollpullover, irgendwie unförmig, aber warm. Johann dachte wieder an die Fischer. Womöglich war es einer von ihnen?
Obwohl er sein Gesicht nicht erkennen konnte, spürte er den Blick der Gestalt auf sich ruhen. Durchdringend. Er drehte sich um, um nachzusehen, ob jemand hinter ihm stand, dem dieser Blick galt, jemand, den die Person auf dem Deich kannte und dem sie etwas sagen wollte.
Da war niemand.
Als Johann sich wieder dem Deich zuwandte, war der Deich menschenleer. Er hastete den schlammigen Pfad hinauf, rutschte und stolperte beinahe, wollte dem Mann nach, der vielleicht ein Fischer war – und stand endlich oben. Auf dem unregelmäßig gepflasterten, schnurgeraden Weg ging niemand. Vielleicht war der im Pullover den Deich auf der anderen Seite wieder hinuntergegangen, über das Gras?
Aber dort kam nur noch der Schilfgürtel und dahinter das graue Meer. Warum sollte ein Fischer auf dem Deich herumstehen, einen Touristen anstarren und sich hinterher im Schilf verstecken?