Er sah weiter aus dem Fenster, aus dem er gesehen hatte, während er ins Telefon lauschte. Draußen lag der Garten, dunkel und duftend von Flieder und Frühlingserde.
Ich rieche die Erde noch immer, es ist seltsam, all diese Unwichtigkeiten haben sich in mein Gedächtnis gegraben und sind nicht mehr daraus zu löschen.
Claas holte tief Luft. Und dann sagte er jene knappen, präzisen Worte, die ich nie vergessen werde, jene Worte, die ich später nicht mehr von Claas-als-Person trennen konnte, die sein Umriss wurden, sein Schatten, sein Mantel und sein Gesicht. Jene Worte, die ich, zusammen mit ihm, hassen lernte. Er sagte:
„David hatte einen Unfall. Auf der A 20. Er ist nicht bei Bewusstsein, aber er lebt. Sie haben ihn nach Rostock gebracht. Wir fahren sofort los.“
Fünf Sätze, konzentrierte Information, vernünftig, erwachsen. Ohne Emotion. Etwas in mir wollte auf dem Fußboden zusammenbrechen, in einem Schleier aus verzweifelten Tränen, wollte schreien, wollte irrationales tun, aber Claas Worte verboten es mir.

Ich stieg ohne Mantel ins Auto, nur im T-Shirt, obwohl der Wind kalt war für Anfang Mai. Ich weiß noch, dass die Frösche vom Bach her quakten und dass ich die Fliederhecke roch, lauter Nebensächlichkeiten. Und dass beim Ortsausfahrtsschild René stand, der immer allen Autos winkt, und dass er winkte. Und dass ich auf dem Weg durch die Felder die einsame Spaziergängerin sah, die wir nur die einsame Spaziergängerin nannten, weil keiner ihren Namen wusste. Ihr langes, glattschwarzes Haar wehte im Wind hinter ihr her, und sie schien mir an diesem Tag noch unwirklicher als sonst, weil alles, der ganze Frühling, plötzlich unwirklich geworden war.
Ich schaffte es nur mit Mühe, mich anzuschnallen, das System des Gurtes erschien mir mit einem Mal unsagbar kompliziert. Vielleicht lag es daran, dass meine Finger zitterten. „Auf der A 20?“, fragte ich im Auto. „Warum auf der A 20? Was hat er da gemacht? Wie ist er da hingekommen? Wer hat ihn, besser gesagt, da hingebracht? Und warum?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Claas. Mehr sagte er die ganze Fahrt über nicht.
Ich sah ihn an, von der Seite, seinen Schattenriss im dunklen Auto, den ich so gut kannte. In jener Nacht schien er mir fremd.