Die Murmel spricht. Sie spricht von abstraktem, sie spricht von konkretem, sie spricht in Reimen. Nur verstehen tun wir sie leider immer noch nicht. Oder – selten. Grundsätzlich scheint ihr Wortschatz ungefähr unserem zu entsprechen, und sie benutzt alle Worte dauernd. Nur kann sie von den 26 Buchstaben des Alphabets bloß ungefähr sieben aussprechen. Die störende Grammatik lässt sie einfach ganz weg. Zählen geht: Eins, wei, fünf, vier.
Weihnachten hat sie sehr beeindruckt, vor allem der Littelaus. Und Maria und Susi in der Krippe. (Susi ist die mit dem Bart). Maria heißt übrigens mit Nachnamen Durch. Sagt die Murmel. Es hat gedauert, bis ich begriff, dass Maria Durch ein Dornwald ging …
Im Übrigen ist sie – die Murmel, nicht Maria Durch – das typische Freiberufler-Kind. Sie sagt nicht: Ich will spielen! Sie setzt sich an den „Püter“, haut auf die Tastatur und ruft: Murmel Arbeit! Und dann darf man sie nicht stören. Nur Maus-Toto darf man ihr ab und zu anmachen, das sind die Maus und der Elefant. Die Murmel besitzt auch Pflaster mit der Maus. Der Elefant, sagt sie, ist ebenfalls darauf abgebildet, man sieht ihn nur nicht, er ist nämlich hinter der Maus.
Wenn sie – abgesehen von Elefanten – etwas nicht finden kann, wahlweise mich oder ihr Kissen, zuckt sie die Schultern und sagt vorwurfsvoll: weggelaufen!
Neulich pustete sie verkehrt herum in ihre kleine Holzflöte, es kam kein Ton heraus und sie erklärte voller Überzeugung: Battehien aus. Battehien sind auch bei Sternen und Mond aus, wenn sie hinter den Wolken verschwinden, und im Bein ihres Opis, der sich gerade verletzt hat und das Bein vorübergehend (oder eher vorübersitzend) nicht gebrauchen kann.
Lange habe ich gerätselt, was für brutale Lieder im Kindergarten gesungen werden. Die Murmel singt: Tuut, tuut! Eisenbahn! Wer nicht hört, wird umgefahrn!
Etwas beunruhigt fragte ich schließlich ein älteres Kindergartenkind und erfuhr, dass das Lied bei weniger brutaler Gemütern lautet: Tuut, tuut! Eisenbahn! Wer will mit zur Oma fahrn?
In einem Kaufhaus hatten wir folgendes Gespräch:
Murmel: Arm nehm! Mama Arm nehm!
Mama: Was tun eigentlich die Kinder, die nicht so eine starke Mama haben?
Murmel (nach kurzer Überlegung): Papa Arm!
Mama: Ach, und wenn der Papa das Kind den ganzen Tag herumschleppt, wer verdient das Geld?
Murmel: Kind!
Dann verschickten wir eine Postkarte mit Mona Lisa drauf, die ohne Kleider auf einem Gartenstuhl saß. Empörter Kommentar der Murmel: Lisa nackig! Mona auch!
Einer ihrer Lieblingssätze ist: Ich brauch das.
Mit diesen Worten hat sie zum Beispiel Papas Hausschuh in ein Bett für ihren Teddy umfunktioniert. Damit Papa den Schuh nach mehreren Tagen wiederhaben konnte, bot ich dem Teddy meine Mütze als Schlafsack an. Böser Fehler: „Ich brauch das!“, schreit der Teddy und weigert sich seitdem, die Mütze zurückzugeben.
Wenn die Murmel die Vögel in unserem Vogelhaus sieht, ruft sie: Lette-Loden! Tragen die Meisen und Spatzen dieses Jahr Kleidung aus lettischem Ökostoff? Nein, stellen wir fest, sie sind lediglich „weggeflogen“. Füttern tut die Murmel sie übrigens mit Reißzwecken. Und heute konnte sie nicht im Kinderwagen spazieren gefahren werden, ohne die geerbte Teetasse ihrer Großeltern im Arm zu wiegen, denn die Tasse war müde.
Aber nicht nur Worte und Teetassen sind schwer zu begreifen in der Welt der großen Leute. Auch die Technik hat es in sich. Heute hat die Murmel sich zwei Stunden lang daran probiert, eine Schneekugel aufzuschrauben, um sie auszutrinken (was ihr zum Glück nicht gelang).
Und neuerdings versucht sie verzweifelt, das Licht im Kühlschrank auszumachen. Immer, wenn die Tür zu ist und ich sage, jetzt ist das Licht aus, rennt sie wieder hin und reißt sie auf, um nachzusehen …