Wir schieben

Unser Garten ist, euphemistisch gesagt, etwas uneben. Das bedeuetet, dass man jedesmal in irgendwelche Löcher fällt, wenn man hindurchgeht. Wir leihen uns also einen großen gelben Bagger aus, um die Erde umzuverteilen. Unser Bekannter H. kennt sich aus mit großen gelben Baggern. “Det kriejen wir schon”, sagt er.
Zunächst müssen wir eine Menge Schrott wegbringen. Der, dem der Garten vor uns gehörte, war ein leidenschaftlicher Schrottsammler. Er bevorzugte großen Schrott – halbe alte Autos, Kaninchenställe, alte Teppiche, … Aber auch Kleinmüll wie Bierflaschen, leere Spritzen und Klobürsten verschmähte er nicht. “Det kriejen wir schon”, sagt H. Er schleift die größeren Holzstücke hinunter zur Wiese, wo mein Mann ein Feuer angezündet hat.
“Vorsicht!”, rufe ich. “Nicht so nah ans Feuer mit dem Bagger!”
H. sammelt nun kleineren Müll. Diesmal fährt er noch dichter ans Feuer, um alles über den Flammen auszuleeren. “Und wenn der Bagger Feuer fängt?”, rufe ich.
Jetzt verteilt H. die Erde um. Es beginnt, zu regnen, und der gelbe Bagger wühlt sich mit den Rädern tiefer und tiefer ins Erdereich. Beim Zurücksetzen fällt H unseren Nussbaum.
“Ich glaube, er sieht ein bisschen schlecht”, meint mein Mann. Ich sage nichts. Ich gehe lieber drinnen aufräumen. Hausfräulich lege ich eine neue weiße Decke auf den Tisch und schrubbe den Boden … da klirrt es über mir. Gerade kommt die Baggerschaufel durchs Küchenfenster.
“Du weißt ja”, sagt mein Man von draußen, “H. sieht ein bisschen schlecht …”
Ich sage nichts. H. hat den Garten jetzt ganz zerfahren. Aber dafür ist er glatt. Findet mein Mann. Naja. Das Regenwasser sammelt sich in den metertiefen Spurrillen zu Teichen … Den Zaun hat H auch mitgenommen, und wo ist eigentlich der Schuppen?
“Ach, H. sieht eben ein bisschen schlecht”, sagt mein Mann, bis zu den Knien im Schlamm stehend. Ich sage nichts. Ich sehe zu, wie unser Kater bis zum Bauch im Schlamm versinkt.
Dann springt er mit einem Satz durchs Fenster und landet auf der weißen Tischdecke. “Haalt!”, schreie ich und versuche, ihn einzufangen, um seine Pfoten zu säubern. Der Kater flieht in unser Bett, doch ehe ich ihn einhole, erbebt das Haus. Der Geschirrschrank kippt um. Zwei weitere Fensterscheiben brechen klirrend heraus. “H. sieht eben etwas schlecht”, erklärt mein Mann. “Er hat das Haus ein Stück verschoben. Es steht jetzt auf der Straße. Aber jetzt macht er erst mal eine Raucherpause.”
Ich sage nichts. Ich gehe hinaus, klettere in den gelben Bagger und lenke ihn an der Ruine des Schuppens vorbei, quer durch das, was einmal unser Garten war. Auf der Wiese brennt das Feuer tapfer gegen den Regen an. Im Rückspiegel sehe ich meinen Mann mit den Armen fuchteln. Da steige ich aus und gebe dem gelben Bagger einen Schubs – und er rollt den Hang hinunter, mitten in die Flammen. Der Benzintank explodiert mit einem angenehmen Knall. Achselzuckend drehe ich mich um. “Tut mir leid”, sage ich. “Ich sehe eben etwas schlecht.”