Wir wohnen in einem freundlichen alten Haus, gebaut um die Jahrhunderwende, nur ist sich niemand sicher, welches Jahrhunderts. Bei jedem Sturm fliegen Teile des Reetdachs davon, und wir beschließen, es neu decken und ein paar Gaubenfenster einbauen zu lassen.
“Das dauert ungefähr vier Wochen”, sagt man uns. “Am 2. Mai fangen wir an. Das Wetter soll ja gut werden.”
Mein Mann nimmt sich zwei Wochen frei, um die Dachdecker zu beaufsichtigen. Als er wieder zum Dienst muss, rufen die Handwerker uns an: Nächste Woche würden sie vielleicht beginnen!
Schließlich hält ein Lastwagen auf unseren Rosen, die Dachdecker springen voll Elan heraus und beginnen, das Dach kahlzurupfen.
“Das ist ja eine Menge altes Stroh”, sage ich, als ich den Herren mittags ihren Kaffee serviere. “Das ist kein Stroh”, erklären sie. “Das ist Schilf.”
“Ach so”, sage ich. “Man könnte noch Strohhalme draus machen …”
“Schilfhalme”, verbessert mich der Chef indigniert. Ein weiterer Lastwagen übefährt die Rubinie und parkt auf den Sonnenblumen. “Ach, wie schön!”, rufe ich. “Das neue Str … ilf!”
“Was haben sie heute eigentlich gemacht?”, fragt mein Mann abends.
“Das Gerüst aufgebaut”, sage ich. “Und Kaffee getrunken”.
Der nächste Tag ist ein Feiertag.
“Und heute?, fragt mein Mann am übernächsten Tag.
“Ich glaube, heute haben sie das Gerüst umgebaut” , antworte ich vage. “Außerdem haben sie Kaffee getrunken …”
Danach kommen wieder zwei Feiertage.
Und danach bauen sie das Gerüst ab und auf der anderen Seite vom Haus wieder auf, weil die Aussicht da besser ist. Meine Aussicht ist auch sehr interessant: Egal, aus welchem Fenster ich gucke, ich sehe immer einen schwarzbehosten Zimmermann auf einem Gerüst stehen, und zwar das Stück Zimmermann von den Knien aufwärts bis zur Brust. Der Chef trägt eine kuchentellergroße goldene Gürtelschnalle, einer seiner Leute zieht eine rosa Badeshorts vor. Offenbar reißen sie das Dach EIN, statt es AUSZUBAUEN. So hört es sich jedenfalls an. Direkt vor meinem Arbeitszimmer steht kein Handwerker. Dort parkt ein weiterer Lastwagen (auf der Heckenrosenhecke) und verdröhnt Radiomusik. Irgendwann steht Goldschnalle vor der Tür. “Die Sicherung muss rausgeflogen sein”, meint er. “Jetzt ist der Strom weg.”
“Der Schilfm”, verbessere ich und koche mehr Kaffee. Mit dem Kaffeesatz klebe ich den Sicherungshebel fest, der dauernd kippt. Inzwischen haben wir zwei Gauben und ein halb gedecktes Dach. Es sind auch erst sechs Wochen vergangen. Sechs sehr regnerische Wochen. Die Abdeckfolie ist leider undicht, der Wohnzimmeteppich saugt sich mit durchgetropfter Nässe voll wie ein Schwamm. Also stellen wir Tropfenfänger auf den Dachboden: Nudeltöpfe, Pfannen, Whiskeygläser, Fingerhüte … Als es nach mehreren Feiertagen wieder trocken ist, ergießt sich plötzlich ein Schwall Wasser durch die Schlafzimmerdecke. Die Handwerker haben den regenwassergefüllten Nudeltopf umgestoßen. “Kein Problem”, knurre ich. “Gießen Sie ihren Kaffee einfach hinterher …”
Ein Glück, dass unser Kinderbett auf Stelzen steht. Schade nur, dass wir nicht heizen können, um die Wände zu trocknen: Auch die Schornsteine werden neu aufgemauert, und der Kamin ist unbenutzbar. Am nächsten Tag (einem Feiertag) geht mein Mann auf den Dachboden. Dabei vergisst er die unbenutzte Bodenklappe, fällt hindurch – und landet in der Stereoanlage. Ich höre, wie über ihm mehrere Balken einstürzen. Ein Schwall Wasser ergießt sich in die Lautsprecher. Nur wenige Wochen später – wir schlafen jetzt in einem Zelt im Bad – ist der Küchenschornstein fertig, und ich mache mich daran, ihn von innen zu säubern. Als ich die Klappe öffne, sitzt in der engen Öffnung ein Handwerker und trinkt Kaffee.
“Was machen sie denn hier?”, fragte ich entnervt.
“Überstunden”, antwortet der Handwerker. “Eigentlich ist Feiertag.”