Murmelsalat

Manchmal wird es laut bei uns. Zum Beispiel, wenn das Murmelkind in den Kühlschrank klettern möchte, und ich das nicht für eine gute Idee halte. Oder wenn die Murmel dringend an meinen Computer muss, ich aber auch. Oder wenn sie im Supermarkt jetzt-gleich-ganz-viele Tomaten essen möchte. Bei uns gibt es das Theater nämlich nicht bei der Schokolade, sondern in der Gemüseabteilung. Es wird auch laut, wenn ich etwas möchte, zum Beispiel der Murmel ihre meterlangen Krallen stutzen. Und manchmal … manchmal wird es still.
Ganz wunderbar still. Ich tippe vor mich hin, völlig ungestört, und die Murmel ist vertieft. Bis ich mich irgendwann umdrehe und sehe, in was sie vertieft ist.
Neulich waren es Champignons. Sie hatte es geschafft, eine eingeschweißte Packung vom Tisch zu ziehen und, sagen wir, aufzuschweißen, und nun befand sie sich seit einiger Zeit bei der Champignonverkostung. Die angebissenen Pilze hatte sie in die Astlöcher im Fußboden gesteckt, schön tief. Um den Holzfußboden kümmert sich die Murmel überhaupt mit großer Zärtlichkeit. Es gibt ja Leute, die ihre Dielen mit ökologischem Leinöl einreiben … Leinöl? Anfänger! UNSERE Dielen werden mit dem Saft frischer Mandarinen eingerieben, mit Zartbitterschokolade aus Lebkuchenbezug und mit Grießbrei – immer, wenn es still wird. Den Grießbrei hatte ich versehentlich auf dem Ofensims stehen lassen, in Murmelhöhe. Die Murmel verteilte ihn nicht nur in den Ritzen der Dielen sondern fertigte mit großer Geschicklichkeit auch eine Gesichtsmaske für sich daraus an. Leider hatten wir gerade keine Gurkenscheibchen.
Gestern hat sie in einer Küchenschublade einen Schatz gefunden: Es wurde wieder ganz still, und als ich mich umsah, hatte sie alle gelben Säcke, Müllbeutel und Gefriertüten ordentlich abgerollt sowie zwanzig Meter Bindfaden kreuz und quer durch die Küche gespannt und aß zur Stärkung gerade eine Kerze. Aber auch um unsere Ernährung kümmert sie sich häufig, wenn es still wird. Vorgestern Abend hat sie im Flur einen großen Feldsalat zubereitet. Sie war ganz enttäuscht, dass wir ihn nicht vom Boden essen wollten, trotz der Beilage aus vorgekauten Hagebutten vom Adventsstrauß. Um unseren Geschmack besser zu treffen, holte sie aus dem Küchenschrank Kartoffelbrei und Milchpulver, öffnete die Packungen geschickt mit den Zähnen und mischte den Inhalt auf dem Boden mit etwas Instantkaffee. Dann aus der Babyflasche noch etwas Apfelsaft dazugegeben, mit den Füßen umgerührt – fertig ist die Elternmalzeit!
Gestern arbeitete ich wieder einmal sehr ruhig, und als ich aufsah, stand die Murmel am Ofen. Sie hatte die Klappe selbst geöffnet und steckte mit beiden Armen bis zur Schulter in der kalten Asche. Kurzzeitig erwog ich, sie als den jüngsten Melchior des Jahrhunderts zum Singen von Haus zu Haus zu schicken, denn sie war von Kopf bis Fuß schwarz. Aber heute früh, da war sie rot! Es dauerte eine Weile, bis ich die Quelle der Röte fand: Sie hatte bei der Haustür eine Stelle gefunden, wo man die (roten) Flurkacheln entfernen kann, und begonnen, darunter zu graben. Ich habe das Loch noch nicht wieder zugeschüttet, es sieht ziemlich tief aus. Irgendwie wackelt jetzt auch die Wand vor mir, und die Internetverbindung, über die ich den Blog schicke, wird zunehmend schlechter. Vielleicht hat die Murmel eine tragende Mauer untergraben und das Haus wird einstü