The Great Escape

Mein Laptop muss auf Kur verschickt werden, und mein Mann besorgt auf geheimen Wegen im Internet ein Ersatzgerät. Das ist ungefähr so groß wie ein Waschlappen (ein kleiner Waschlappen). Wir nennen es Unkaputtbar 2. „Ich installiere eben die nötigen Programme“, sagt mein Mann. Von da an höre ich ihn minütlich rufen: „Jetzt habe ich das Schonwaschprogramm installiert! Jetzt habe ich das Bügelprogramm installiert! Jetzt das Gemüsedünstprogramm!“
„Eigentlich“, sage ich, „wollte ich nur auf dem Ding schreiben.“
„Ach“, sagt mein Mann, „schreiben? Ich weiß nicht, ob das auch geht …“ Aber er findet ein Schreibprogramm, obwohl er zuerst versehentlich ein Schraubprogramm installiert. Dann fährt er zur Arbeit, und ich beginne, zu schreiben. Das Murmelkind hat unter dem Tisch zu tun. Ich schreibe drei Sätze – und plötzlich vergrößern sich die Buchstaben auf das 150fache. Offenbar hat mein Mann ein Sehbehinderten-Programm installiert. Leider ist es schwierig, den Überblick über einen Text zu behalten, wenn man nur jeweils einen Buchstaben sieht. Ich klicke auf – ja, ich weiß auch nicht, was, doch es ist keine gute Idee, denn die Symbolleiste verschwindet. Überhaupt alles verschwindet. Es gibt nur noch ein überdimensionales A.
Ich kann das Programm auch nicht schließen, es gibt keinen Exit-Knopf mehr. Das Murmelkind arbeitet weiter unter dem Tisch. Als ich nachsehe, hat es seine spitzen Zähne ins Netzteil gebohrt und grinst fröhlich. Ich rufe meinen Bruder in Berlin an, der kennt sich aus mit Computern. „Was“, sagt er, „hast du denn gemacht?“
„Nichts!“, rufe ich. „Gar nichts!“
„Das sagen alle Frauen“, knurrt er. Und nennt 279 Tastenkombinationen, die ich alle ausprobiere. „Und?“, fragt er. „Hat sich was verändert?“
„Ja“, sage ich. „Jetzt sehe ich nur noch den linken unteren Fuß vom A.“
Die Murmel ist mit einem abgebissenen Stück Netzteil durch die Küche unterwegs. Womöglich auf dem Weg ins Internet. „Es hilft nichts“, sagt mein Bruder, „Du musst den Computer auseinander bauen.“ Gut, dass es ein Schraubprogramm gibt. Nach der Fernanleitung aus Berlin zerlege ich Unkaputtbar 2 und durchsuche ihn nach der verschwundenen Symbolleiste. Ich habe den Verdacht, dass er sie mit irgendeinem Programm gebügelt oder gedünstet hat, in jedem Fall ist sie nicht da. „Murmel“, sage ich streng. „Hast du die Symbolleiste gegessen?“ Nein, auch beim Wickeln finde ich in der Windel keine anverdaute Symbolleiste.
„Ist der alte Laptop schon verschickt?“, fragt mein Bruder. Das ist er nicht. Und ein bisschen funktioniert er noch. „Dann nimm ein Teppichmesser“, sagt er, „schneide die Symbolleiste vorsichtig aus dem Bildschirm, und baue sie in Unkaputtbar 2 ein. Das Murmelkind hilft beim Bauen. Dabei zerkaut es die Worte DATEI und BEARBEITEN, von denen nun DA und AR übrig bleibt – so dass nun auch die Murmel sie aussprechen kann. Als mein Mann nach Hause kommt, sitzen wir völlig erschöpft vor Unkaputtbar 2 und schreiben in Schriftgröße 907 diesen Blog. „Zeig mal!“, sagt mein Mann und klickt auf – ja, ich weiß auch nicht, was, aber die Symbolleiste verschwindet wieder. Ich schreie schrill. Das Murmelkind beißt ins Kabel. „Damit“, keuche ich, „haben wir den ganzen Tag …“
„Ach, das haben wir gleich“, sagt mein Mann, „man muss sich nur ein bisschen mit Computern auskennen.“ Er drückt mit einem nachsichtigen Lächeln auf ESCAPE – und alles ist wieder da, heil, vollständig und wunderbar. Manchmal hasse ich meinen Mann.