Frühstück mit Buchhändlerin

Es geht nichts über den entspannten Beginn einer Lesewoche! Am Sonntag morgen öffne ich den Umschlag aus der Stadt, in der ich als nächstes lesen werde und erwarte, eine Hotelbroschüre und ein Leseplan für Montag zu finden. Stattdessen finde ich drei kopierte Zeitungsartikel von der Buchhändlerin. In der Zeitung steht, dass ich in einer Sparkasse lese. Vielleicht wurde der Leseplan eingespart? Ich rufe im Verlag an. Dort ist niemand; es ist ja Sonntag. Ich rufe die Presseleute auf ihren Handys an, aber keiner hebt ab, denn es ist Sonntag, und so hinterlasse ich überall kleine panische Nachrichten.
“Ich mach dann mal Frühstück”, sage mein Mann.
“Ich kann jetzt nicht!”, knurre ich und rufe die Buchhändlerin an, die das Ganze organisiert. Sie organisiert am Sonntag entschieden nichts.
“Möchtest du ein Ei?”, fragt mein Mann.
“Ich habe keine Zeit für Eier!”, schreie ich. Die Buchhandlung hat eine bunt blinkende Homepage. Über die Lesung steht nichts da. Moment, hat Isabel nicht schon bei der Buchhändlerin gelesen? Isabel schläft noch. Ihre Tochter verspricht, ihr das Problem zu erklären, damit sie zurückruft. Sie ruft nicht zurück.
“Ich frühstücke jetzt”, sagte mein Mann.
“Frühstücke doch mit der Buchhändlerin!”, brülle ich und wähle nochmal Isabels Nummer.
Ihre Tochter hat ihr erzählt, ich hätte mich in einer unbekannten Sparkasse verirrt und kein Telefon. Wie das Hotel hieß, weiß sie leider nicht mehr. Aber es war sehr schön, und sie hat in der Picasso-Suite geschlafen. Aha. Immerhin gibt sie mir die Nummern einiger anderer Autoren, die auch in der Stadt lesen, und ich hinterlasse weitere panische kleine Nachrichten. Laut Internet gibt es in der Stadt 540 Sparkassen und 423 Hotels.
“Das Galerie-Hotel ist hübsch!”, sagt mein Mann “Die Zimmer heißen alle nach Malern…”
“Das ist es!”, rufe ich. “Aber die Sparkasse haben wir immer noch nicht!”
“Soll ich dir ein Marmeladenbrot schmieren?”, fragt mein Mann.
“Ich will kein Brot!”, schreie ich. “Ich will eine Sparkasse! Ich lasse mich scheiden!”
“Von mir? Wegen eines Marmeladenbrotes?”, fragt mein Mann verwundert.
“Nein, von der Buchhändlerin!”, kreische ich.
Spät nachts falle ich in ein Zimmer, in dem ein Jugendstilmaler seine Obsession mit sterbenden Schwänen ausgelebt hat. Am Morgen ruft mein Mann an.
“Da waren 512 Leute auf dem AB, denen du kleine panische Nachrichten hinterlassen hattest”, sagt er. “Beim Abhören der 510. Nachricht ist das Telefon verglüht. Leider hat das Reetdach dabei Feuer gefangen, und das Haus ist abgebrannt …”
“Guten Morgen, Frau Michaelis”, sagt die Buchhändlerin hinter mir. “Ich wollte Sie abholen. Schön, dass alles so reibungslos geklappt hat. Ich schicke die Unterlagen immer besonders rechtzeitig. Es geht doch nichts über den entspannten Beginn einer Lesewoche.”