Gans fröhliche Weihnachten!

Unser diesjähriges Weihnachtsfest ist geprägt von zwei Dingen: Der Gans und dem Ego Baby Carrier. Den Ego Baby Carrier besitzen wir schon länger, nehmen uns aber vor, ihn endlich zu benutzen. In den drei Pullovern und dem Schneeanzug quillt das Kind, man muss es leider sagen, an allen Seiten aus der alten Trage heraus.
Die Gans besitzen wir zunächst noch nicht, sie ist jedoch, findet mein Mann, dieses Jahr notwendig. Mir bleibt die Notwendigkeit der Gans zwar unklar, da ich nichts esse, was früher herumgelaufen ist. (Bisweilen esse ich Dinge, die nach zu langer Aufbewahrung im Kühlschrank angefangen haben, herumzulaufen…). Doch ich begebe mich tapfer in die Stadt und bestelle die Gans. Meine einzige Auflage ist, sie muss ökologisch sein. “Jaja”, sagt die Frau im Bioladen, “Freilandgänse sind auch viel gesünder.”
“Das ist mir egal”, antworte ich, während ich 70 Euro anzahle, “Hauptsache, sie hatte ein glückliches Leben und konnte Fußballspielen und Zeitunglesen. Ich tue beides nicht, aber ich finde, jeder sollte die Chance dazu haben, nicht wahr?”
“Unsere Gänse lesen nicht”, erwidert die Bioladenfrau ernst.
“Schade”, sage ich. “Na, wir holen die Gans erst am 23. Bis dahin können sie ihr noch ein paar Zeitungen anbieten. Versuchen Sie die Ostseezeitung, die sollte die Gans nicht überfordern.”
Leider ist nicht mehr zu sehen, ob es eine belesene oder unbelesene Gans ist, die wir abholen, denn sie hat keinen Kopf mehr. Wir stecken sie in die große Tüte mit den eingekauften Büchern. Letzte Chance zum Lesen…
Zu Hause schmücke ich den Baum. Das geht recht schnell, denn nachdem mein Mann oben und unten ein Stück abgeschnitten hat, besitzt der Baum nur noch drei Äste. “Dann kann ich ja endlich den Ego Baby Carrier ausprobieren”, sage ich, “während du mit deiner Gans spielst”. Mein Mann steckt den Kopf aus einem Wald von Beifuß, in der Hand den triefenden, abgetrennten Gänsehals. “Ich mache gerade Brühe selbst”, verkündet er. “Schön”, sage ich. “Vergiss nicht, Brühe reinzutun, damit sie nach was schmeckt.”
Dann konsultiere ich das Heftchen des Ego Baby Carriers. “Setzen sie das Kind auf ihre rechte Hüfte”, lese ich. “Führen sie ihre rechte Hand auf Taillenhöhe links unter dem rechten Riemen hindurch, Handrücken zu ihnen zeigend.”
“Was machst du da?”, fragt mein Mann durch den Gänsefettdunst. “Yoga?”
“Ich fasse”, erkläre ich, weiterlesend, “den linken Fuß des Kindes und ziehe ihn nach links, beuge mich vor und schiebe das Kind mit der rechten Hand unter meiner linken Achsel auf den Rücken. Gleichzeitig ziehe ich mit der linken Hand den linken Fuß des Kindes nach links …”
“Ich muss die Gans drehen”, meint mein Mann. “Kannst du mit der rechten Hand ihren linken Flügel halt – Oh.” Die Gans ist ihm ausgerutscht und segelt nun quer durch die Küche, und ich hopse auf einem Bein gebückt beiseite, während ich das Kind mit der linken Hand halte und den mittleren Schultergurt anlege. Mein Mann kriecht unter den Tisch, entstaubt Gans sowie Füllung und näht das Federvieh mit Garn zu. Dann verfrachtet er es in den Ofen, wo es die nächsten sieben Stunden schmoren muss. So lange brauche ich auch, um mein Gewicht, während ich das Kind mit dem linken Fuß festhalte, ostwärts zu verlagern und mit nach hinten gebeugtem Oberkörper das rechte Ohr des Kindes im linken Schultergurt zu befestigen…
Um Mitternacht geben ich auf. Das Kind schläft selig, mit dem Kopf nach unten hängend, den linken Fuß hinter meine rechte Schulter geklemmt, den linken Arm in mein rechtes Nasenloch gesteckt. “Dieses Tragegestell … sollten wir … zurückschicken”, röchle ich, da der Hüftgurt sich um meinen Hals geschlungen hat. Mein Mann befreit mich mit der Geflügelschere.
Am nächsten Morgen stellen wir fest, dass die Gans für sieben Personen reicht. Wir werden die Nachbarn besuchen.  Aber worin transportieren wir die Gans? Wir könnten natürlich mit der Saftpfanne die Allee entlang spazieren … “Nein!”, ruft mein Mann. “Ich habs!” Er repariert den Baby Carrier mit Gänsegarn und führt die Gans unter leichtem Wippen mit der linken Hand an seiner rechten Achsel entlang… Auf dem Weg zu den Nachbarn treffen wir andere Spaziergänger. “Was für ein … äh… hübsches Kind”, sagen sie höflich. Wir betrachten die Gans im Baby Carrier. “Ja”, sage ich, “aus Freilandhaltung.”