Hoch- und Tiefzeiten

Im Juni, als die Sonne schien, haben wir standesamtlich geheiratet und alle Festlichkeiten auf später verschoben. Nun wird das Wetter schlecht, und der Zeitpunkt ist ideal für eine kirchliche Trauung in der ungeheizten Kirche mit anschließendem großen Gartenfest.
“Gibt es denn ein Büffet?”, fragt mein Vater. “Ach was”, sage ich. “Jeder bringt etwas mit.” “Dann”, sagt mein Vater, “bringe ich ein Büffet mit.”
Die Ausreisebestimmungen für Büffets aus dem Freistaat Bayern sind jedoch strikt, und sowohl der Transport als auch die Verdauung mehrerer Tonnen Weißwürste und Brezeln gestaltet sich schwierig. So wird das Büffet letztlich doch hier organisiert. Ich finde, die Leute können Würstchen in Hand essen und sich unter unseren Holunderbüschen unterstellen, falls es regnet. In einem Anfall von Großmut schreibe ich Platikbecher auf die Einkaufsliste. Mein Mann ist für Meissner Porzellan, fangfrisches Spanferkel und Kerzenleuchter. Schließlich einigen wir uns auf Bierbänke, die in halbgarem Zustand geliefert werden, damit wir sie am großen Tag knusprig aufbacken können.
“Und wie versorgen wir die Leute nachmittags mit Kaffee?”, fragt mein Mann. “Wir haben nur eine Kaffeekanne.” Seine Mutter schlägt sofort vor, den Kaffee aus der Eifel mitzubringen. Leider sind an besagtem Wochenende alle Tanklaster ausgebucht. “Ach”, sage ich, “wir verteilen einfach Nescafepulver, und die Leute können ihre Tassen in den Regen halten. Vom Klimawandel ist der sowieso warm, und er schäumt auch ein bisschen … ”
Als nächstes muss der Gottesdienst geplant werden. Ein Drittel der Leute ist katholisch, ein Drittel exkommuniziert und ein Drittel ex-kommunistisch. Die Kirche ist evangelisch, das Brautpaar agnostisch und alle unmusikalisch. “Und wenn keiner die Lieder kennt, die wir aussuchen?”, fragt mein Mann verzweifelt. “Um so besser”, sage ich, “dann singt nur der Pfarrer, der KANN wenigstens singen.”
Die Ringe bestellen wir im Netz und überreden einen Goldschmied, in meinen ein Stückchen Silber vom afrikanischen Verlobungsring einzulassen. Eine langwierige, mikroskopische Arbeit. Dann stellen wir fest, dass der Internetverkäufer schöner graviert. Wir schicken die Ringe noch einmal zurück und erhalten einen irritierten Anruf: Im Damenring sei eine kleine Verunreinigung, die hätte er erstmal abgeschliffen … Am Tag vor der Hochzeit lassen wir uns von unsren Freunden noch schnell Walzer und Fox Trott beibringen und üben im Wohnzimmer: Eins, zwei, Vorsicht, Sessel!, ein zwei, das war die Scheibe! Fox Trott kann man auf so ziemlich alles tanzen, haben unsere Freunde gesagt. Stimmt: auch auf den Trümmern unserer Einrichtung. “Wir müssen für die Kirche noch das Glaubensbekenntnis  lernen!”, ruft mein Mann vom Fußboden aus. Da er zwischen den Stücken des Ikeaschranks feststeckt, hole ich das Gesangbuch und lese das Glaubensbekenntnis vor. Fragt sich nur, ob man darauf Fox Trott tanzen kann. Als wir es auswendig können, graut der Morgen. Draußen regnet es in Strömen. Das nicht-geschlachtete Spanferkel ist dabei, das Büffet zu fressen, und das Zelt schwimmt in einem Kaffee-Fluss davon. Der Pfarrer paddelt auf einer Bierbank an unserem gesplitterten Fenster vorbei und winkt mit einem Gummistiefel. Da klingeln die ersten Gäste.