Striking Changes

Meine zweite Heimat ist die Deutsche Bahn, in der ich 90 % meiner Zeit verbringe. Da auch die Lokführer vermutlich 90 % ihrer Zeit dort verbringen, verstehe ich, dass sie streiken. Neulich querte meine lebenslängliche Lesereise ein Fernseher, wo über den Bahnstreik berichtet wurde. Zunächst sah man wichtige Herren in Anzügen – dann plötzlich ein Krankenhauszimmer samt Mann im weißen Kittel. Schulen sie jetzt die streikenden Lokführer zu Ärzten um? Hier eröffnen sich neue Wege! Durch den Austausch streikender Berufsgruppen könnten Streiks weit angenehmer gestaltet werden. Im neuen Klinikum in Greifswald wären wir jedenfalls froh über ein paar Lokführer. All zu oft begegnet man dort einem verirrten Fahrzeug, das kläglich quäkt „DIES. ISTEIN. UNBE. MANNTER. TRANSPORT“, während es – vermutlich seit Tagen – in immer neuen Versuchen verzweifelt gegen eine Wand anfährt.
Würden die streikenden Bahner in den Klinikbetrieb integriert, müsste man natürlich die streikenden Ärzte als Lokführer arbeiten lassen: „Meine Damen und Herren, in Hamburg ist unser mobiler Hals-Nasen-Ohren-Arzt zugestiegen, der sie nun an ihrem Platz mit frisch entnommenen Mandeln versorgt … “
Oder: „Unser freundliches Chirurgen-Team erwartet sie im Bord-OP. Genießen sie ihre Fahrt bei einer Blinddarmentfernung oder lassen sie den Tag in unserem Raucher-Bereich entspannt bei einer Lungenresektion ausklingen! In der ersten Klasse führen wir kleinere Operationen auch gerne an ihrem Platz durch … “
Aber ich höre, dass die amerikanischen Drehbuchautoren ebenfalls streiken. Vielleicht sollte man daher die Lokführer als Drehbuchautoren nutzen, die Ärzte als Lokführer und die Drehbuchautoren als Ärzte. So würde der Klinikalltag endlich mehr nach dramaturgischen Gesichtspunkten koordiniert: „Schwester Gudrun, den Hubschrauber bitte in Zimmer 9. Herr Meier ist leider in der letzten Folge verstorben. Wir haben eine Not-OP in Saal 5, ziehen sie sich rasch um und schminken sie sich schon mal!“
Auch dem amerikanischen Fernsehen täte es gut, wenn deutsche Lokführer die Dialoge schrieben. Hübsch vorzustellen: Eine Szene am Meer, die Sonne geht unter, die Unterwäsche fällt, und ER sagt zu IHR: „Durch Mängel im technischen Ablauf kommt es leider zu einer Verspätung unbekannter Dauer … “
Hoffen wir, dass noch lange gestreikt wird! Wo wir gerade dabei sind, fällt mir ein, dass ich für meine Blogs einen Stundenlohn von 0,00 Euro bekomme, wovon ich wahrscheinlich auch noch 19 % Mehrwertsteuer zahlen muss. Wäre es da nicht Zeit für einen kleinen Streik? Ja, die Idee gefällt mir, ich streike. Und deshalb schreibe ich diesen Blog jetzt auch nicht wei